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Architekturobjekte

Heinze ArchitekturAWARD 2025: Teilnehmer


Schule inklusiv denken

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: TU Wien, Alea Soyka

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: TU Wien, Alea Soyka

Basisdaten zum Objekt

Lage des Objektes

1100 Wien, Österreich

Objektkategorie

Objektart

Art der Baumaßnahme

Entwurfskonzept

Fertigstellungstermin

06.2025

Gebäudedaten

Bauweise

Stahlbetonbau

Tragwerkskonstruktion

Stahlbeton

Anzahl der Vollgeschosse

3- bis 5-geschossig

Beschreibung

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Der inklusive Schulentwurf ist im 10. Bezirk und verfügt über eine Volkschule und Mittelschule mit Inklusionsklassen, basalen Klassen und Förderklassen.
Inklusion beschreibt im soziologischen Kontext die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft, unabhängig von Herkunft, Alter, Religion, Behinderung und weiteren individuellen Merkmalen. Inklusion betrifft uns alle.  Behinderung ist nicht immer sichtbar und sie muss nicht angeboren sein. Eine Behinderung kann jeden treffen. Alle können ihren Beitrag leisten, indem man selbst versucht die Barrieren im Kopf abzubauen.
In Österreich sehen sich subjektiv rund 20% der Bevölkerung als dauerhaft eingeschränkt. Rund 5% der Kinder und Jugendlichen haben einen sonderpädagogischen Förderbedarf. Seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention 2008 hat sich Österreich zu der Umsetzung eines inklusiven Schulsystems verpflichtet. Die gleichberechtigte Teilhabe an der Bildung ist ein Menschenrecht. Trotzdem werden derzeit nur rund zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Regelschule unterrichtet, in Wien sogar weniger als die 50%. Dies steht einer gelungenen Inklusion konträr gegenüber. Die Schule ist das Abbild der Gesellschaft im Kleinen und je früher Inklusion gelebt wird, desto selbstverständlicher ist sie in der Gesellschaft verankert. Das Konzept der Inklusion erkennt die Individualität der Menschen an und sieht die Vielfalt als gesellschaftliche Stärke. In einem diversen Umfeld können die Kinder soziale Kompetenzen wie Toleranz und Hilfsbereitschaft entwickeln. Die Schule kann Inklusion vorleben und den Grundstein für Akzeptanz in einer vielfältigen Gesellschaft legen. Somit sollte jeder Schulneubau nicht nur als barrierefreies Gebäude konzipiert sein, sondern eine flexibles und vielfältiges Raumangebot für Austausch und natürliches Zusammenkommen aller schaffen.
Eine inklusive Schule und Gesellschaft brauchen nicht nur gesetzliche Rahmenbedingungen und politische Maßnahmen, sondern jeder kann durch Sensibilisierung, Reflektieren der eigenen Einstellungen und des Verhaltens einen Beitrag leisten. In diesem Sinne habe ich meine Masterarbeit dem Entwurf einer inklusiven Schule gewidmet.
Der Entwurf der inklusiven Schulgebäudes ist im 10. Bezirk in Wien. Der Schulstandort umfasst zwei Bildungseinrichtungen unter einem Dach. Angrenzend an das Grundstück befindet sich ein Kindergarten. Der Übergang von einer Bildungseinrichtung in die andere kann für die Kinder fließend erfolgen.

Die Volksschule ist ganztägig und dreizügig, umfasst also pro Schulstufe je 3 Parallelklassen. Die Mittelschule ist ebenfalls 12-klassig. Der Schulstandort führt außerdem eine Vorschulklasse, drei Förderklassen mit unterschiedlichen Schwerpunkten und drei basale Klassen für Kinder mit Mehrfach-Behinderungen. Die Kreativräume, ein Therapie- und der Sportbereich werden gemeinschaftlich genützt.

Städtebaulich werden die Achsen der großvolumigen Nachbarbebauung aufgenommen und auf der Hauptzugangsseite durch den Baukörper eine öffnende Geste geschaffen. Aus der Ableitung des Raumprogramms und der Organisation der Volksschule und Mittelschule in Cluster zusammen mit den städtebaulichen Ansprüchen wurde die dreiflügelige Bauform entwickelt. Ein großzügiges Atrium ist Herzstück des Entwurfs. Es fungiert als verbindendes Element zwischen den einzelnen Gebäudeflügeln und fördert die visuelle und kommunikativen Beziehungen. Die dreiarmige Gebäudeform schafft differenzierte Freiräume mit unterschiedlichen Qualitäten, die durch je zwei Flügel baulich gefasst sind, ein Vorplatz, ein Spielplatz, ein Sportplatz.

Das Gebäude ist 3-geschossig und die Klassen sind in Cluster organisiert, die sich über das 1.und 2.OG in je einem Flügel verteilen. Die Clustertypologie ist ein gängiges Organisationsmodell, bei dem mehrere Klassen- und Gruppenräume gemeinsam mit einem Teamraum für die Pädagog:​innen und den notwendigen Neben- und Sanitärräumen um gemeinschaftliche multifunktionale Flächen organsiert sind.
Im EG sind gemeinsam genutzte Räume angesiedelt. Die beiden oberen Geschosse wurden um je 10 Grad verdreht und in ihrer Länge dem Raumbedarf angepasst. Aus Überlegungen hinsichtlich Statik, Belichtung und Haustechnik handelt es sich jedoch keine tatsächliche Verdrehung, sondern ein dynamisches Zurückspringen. Das Gebäude reduziert sich in seinem Volumen nach oben, wodurch großzügige Terrassen mit grünen Sitzinseln, Hochbeeten und Freiluftklassen als direkte Freiräume für die Klassen entstehen.
Der Schulgarten ist außerhalb der Schulöffnungszeiten allen zugänglich. Im Sinne des inklusive Leitkonzepts ist der Spielplatz mit barrierefreien Spielgeräten gestaltet.
In Zahlen ist die Schule für einen Belegung von bis zu 700 Personen ausgelegt. Im Schulalltag sind circa 100 Kinder in einem Cluster.
Das Untergeschoss befindet sich nur unter einem der drei Flügel. Hier liegt der Sportbereich, Technik- und Lagerflächen. Der Doppel-Turnsaal und der Gymnastiksaal sind zweigeschossig und über Lufträume mit dem EG visuell verbunden sind. Eine außenliegende Rampe verbindet den Turnsaaltrakt direkt mit dem Sportbereich im Garten. Das Untergeschoss ist abends für Vereinen separat begehbar.

Im EG befinden sich alle allgemeinen Funktionen. Einige Räume sind außerhalb der Schulzeiten öffentlich nutzbar und stärken die Vernetzung mit der Stadt. Direkt im Eingangsbereich liegt die Zentrale des Facility Managements mit integrierter Portiersfunktion. Im linken Flügel sind in Eingangsnähe die Schuladministration, der Therapiebereich sowie der Küchenbereich mit Anlieferung organisiert. Im zweiten Flügel sind die Kreativräumlichkeiten Werken, Zeichnen und Naturwissenschaften untergebracht. Im dritten Flügel sind eine Lounge und eine Tribüne, von der man das Geschehen in den Turnsäle mitverfolgen kann. Sport und Bewegung ist ein selbstverständlicher und wichtiger Bestandteil des Konzepts.
Als verbindendes Element fungiert das Atrium. Es wird im EG räumlich durch den Speisesaal, die Bibliothek, den Veranstaltungsraum, den Gymnastikraum, der Garderobe für Besucher:​innen und den Liftkernen gefasst. Speisesaal, Bibliothek und Veranstaltungsraum öffnen sich mit großen Schiebetüren zum Atrium und lassen sich je nach Bedarf mit diesem verbinden. Das 12m hohe Atrium wird von oben natürlich belichtet und fungiert als multifunktionaler Raum. Es ist Foyer, Aufenthaltsort und kann für Veranstaltungen genutzt werden.

Das Atrium repräsentiert das offene Konzept der Schule, in dem alle Kinder zusammenkommen und im Austausch miteinander stehen. Es ist physischer und symbolischer Ort der Inklusion. Es fördert Begegnungen, Kommunikation und Interaktion der Kinder und ermöglicht einen offenen und selbstverständlichen Umgang mit Vielfalt und Behinderung.

In die oberen Stockwerke gelangt man über die zentral im Atrium liegenden Stiegen und angrenzenden Lifte. Im 1.OG ist die 12-klassige Volksschule untergebracht. Ein Volksschulcluster bestehen aus sechs Klassen:​ vier Inklusionsklasse, einer Mehrstufenklasse und einer basalen Klasse. Jede Klasse wird von zwei Padagäg:​innen betreut, wobei eine für Sonder- oder inklusive Pädagogik ausgebildet ist.
Im zweiten Obergeschoss ist die dreizügige Mittelschule angesiedelt, die wiederum in drei Cluster über die drei Flügel organisiert ist. Jedes Mittelschulcluster besteht aus vier Inklusionsklassen und einer Förderklasse.
Die Galerien und Nischen um das Atrium in den Obergeschossen sind Teil der zentralen Erschließung und Begegnungsort aller Kinder. Es stärkt die klassenübergreifende Interaktion und ist Ort des natürlichen Zusammenkommens im Schulalltag.
Innerhalb des Clusters sind die Räume spielerisch angeordnet und generieren dadurch eine Vielzahl an Nischen und Rücksprüngen. In der Mitte befinden sich Abstellräume sowie eine Garderobe und eine Ruhenische, die mit Vorhängen nach Bedarf geschlossen werden kann. Drei Gruppenräume ermöglichen das Arbeiten in Kleingruppen. Sie sind in direkter räumlicher Nähe zu den Klassenräumen und durch Verbindungstüren zu erreichen. Fenster zu den Klassenräumen und den Gruppenräumen schaffen eine visuelle Verbindung und garantieren die Aufsichtspflicht. Durch Rollos lassen sich diese nach Bedarf schließen.
Ein Sanitärkern verfügt über einen Wickelraum, geschlechtergetrennte WCs mit je einer barrierefreien Toilette sowie einen Sanitärbereich für die Pädagog:​innen. Die Waschbecken sind unterfahrbar und in drei verschiedenen Höhen montiert.
Der Marktplatz kann in den Pausen als gemeinsamer Spielort für die Kinder aus den unterschiedlichen Klassen fungieren oder im Sinne eines offenen Lernens auch in das Unterrichtssetting einbezogen werden. Die Freiluftklasse ist dem Marktplatz vorgelagert. Durch die große Schiebetür kann auch hier eine direkte Verbindung entstehen. Jedes Klassenzimmer verfügt über einen direkten Ausgang auf die großzügige Terrasse. Die Terrassen im ersten und zweiten Obergeschoss sind durch Freitreppen und Rutschen mit dem Garten verbunden. Sie fungieren als Spiel-, Freizeit und Lernbereiche mit Hochbeeten und kleinen Bäumen. Ein weiterer überdachter Outdoor-Lounge-Bereich ist auf der Seite der Balkone neben der vertikalen Fluchttreppe angesiedelt. Die Verbindungstreppen fördern die Selbstständigkeit der Kinder. Die Rutschen lassen physische Barrieren überwinden und die Bäume führen zu einer Hitzereduktion und haben eine schalldämmende Wirkung und positive Auswirkungen auf die schulischen Leistungen der Kinder.
Im Sinne des Lern- und Lebensorts Schule versucht dieser Entwurf eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen, die an alle Akteursgruppen der Schule denkt und eine Schule am kindlichen Maßstab konzipiert.
Die Konstruktion des Gebäudes besteht im Untergeschoss aus Stahlbetondecken und -Wänden. Ab dem Erdgeschoss löst sich das Tragwerk in eine Stützen- und Trägerkonstruktion in Stahlbetonbauweise auf. Drei aussteifende Sanitärkerne in jedem Flügel sorgen für Versteifung und gegen Torsion. Alle übrigen Innenwände sind nicht tragend und als Holzständerwände ausgeführt.
Die ausgewählten Materialien behalten ihre natürliche Farbe bei, der Stahlbeton aller tragenden Bauteile bleibt sichtbar. Die Holzständerwände behalten ihre Holzoptik. Das Hauptmaterial des Innenausbaus ist Holz. Verschiedene Holzarten und Verlegungsarten kennzeichnen die unterschiedlichen Bereiche. Holz hat viele positive Effekte auf das persönliche Empfinden und wird subjektiv als hochwertiges Material angesehen, sodass den Schüler:​innen Wertschätzung und Fürsorge vermittelt wird.
Die Fassadenelemente bestehen aus Keramikhohlprofilen, die in sieben Farben abwechslungsreich angeordnet sind. Die bunte Erscheinung symbolisiert die Vielfältigkeit der Gesellschaft. Das Edelstahlnetz fungiert im Atrium und auf den Terrassen als Absturzsicherung. Es lässt Durchblicke zu und spiegelt die offene Haltung des Gesamtkonzepts wider.
Farblich ist das Gebäude so konzipiert, dass jeder Bildungsbereich seine eigene Clusterfarbe hat. Sie dient als Orientierungshilfe und stiftet Identifikation mit dem eigenen Bereich. Dabei werden dieselben Farben wie in der Fassade verwendet. Sie ist jeweils im Linoleumboden, den Türen und der Raumausstattung eines Clusters zu finden. Teil des visuellen Konzepts ist der Elefant als „Schultier“. Er fungiert als visuelles Hilfssymbol für die Kennzeichnung der Räume. Der Elefanten gilt als soziales und empathisches Tier, das kooperativ agiert und Rücksicht auf andere nimmt.
Eine inklusiv gestaltete Schule ist mehr als ein barrierefreies Gebäude. Sie zeichnet sich durch ein vielfältiges Raumangeboten mit flexibler Möblierung, Rückzugsorten und Gruppenräume aus, die individuelle Förderung ermöglichen. Eine pädagogische Architektur schafft räumliche Inklusion:​ Alle Kinder nutzen dieselben Erschließungswege, Klassenräume, Terrassen und Pausenflächen – es gibt keine Sonderschultrakte und daher auch keine räumliche Ausgrenzung. Die Architektur schafft soziale Begegnung, Teilhabe und Chancengleichheit.

 

Schlagworte

Inklusion, Schule, Teilhabe, Menschenrecht, Bildung, Gleichberechtigung

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