Architekturobjekte
Heinze ArchitekturAWARD 2025: Teilnehmer
Zipoli | Revitalisierung des Zierporzellanwerks Lichte
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Fachhochschule Erfurt, Architektur und Stadtplanung, Sascha Kipper
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Fachhochschule Erfurt, Architektur und Stadtplanung, Sascha Kipper
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
Deutschland
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Entwurfskonzept
Fertigstellungstermin
05.2025
Zeichnungen und Unterlagen
Gebäudedaten
Bauweise
Sonstige
Tragwerkskonstruktion
Sonstige
Anzahl der Vollgeschosse
3- bis 5-geschossig
Raummaße und Flächen
Nutzfläche
9.250 m²
Beschreibung
Objektbeschreibung
Neben dem Zipoli gab es in Südthüringen zahlreiche Porzellanmanufakturen, die die Thüringer Porzellanindustrie zu ihrer Hochzeit europaweit führend machten, und der Region der Thüringer Porzellanstraße Wohlstand, Arbeitsplätze und eine starke Identität verliehen. Der Niedergang der Industrie ist für die rurale Gegend nicht nur Teil einer Abwärtsspirale von Überalterung und Abwanderung, sondern für die Menschen vor Ort auch der Verlust einer identitätsstiftenden Handwerkskunst, die viele Familien und Generationen durchzieht. So ist auch in Lichte das verfallende ehemalige Zierporzellanwerk nicht nur eine Industriebrache: Es steht symbolisch für die Sorgen und das Befinden einer ganzen Region.
Auf der Suche nach passenden Objekten für unsere eigene Aufgabenstellung der Bachelorarbeit sind wir auf das Zipoli aufmerksam geworden. Neben der architektonischen Qualität, Vielschichtigkeit und den Potentialen des Objekts hat uns auch das Interesse der Stadt Neuhaus überzeugt, die uns im Rahmen der Bearbeitung mit Materialien und Terminen vor Ort unterstützt hat, und uns die Möglichkeit gab, Arbeitsstände in Ausschüssen der Stadt zu präsentieren. Im Rahmen der Vorbereitung haben wir im Vorfeld einige Tage in Lichte verbracht, sind im Gespräch mit Bewohner*innen und ehemaligen Beschäftigten des Zierporzellanwerks tief in dessen Geschichte eingetaucht und haben Anregungen und Ideen für unsere Konzepte gesammelt. In drei sehr verschiedenen Entwurfskonzepten haben wir schließlich im Rahmen unserer Bachelorarbeiten die Revitalisierung des Zipoli skizziert und gedacht.
Das hier gezeigte Entwurfskonzept setzt im Spannungsfeld zwischen der historischen und identitätsstiftenden Bedeutung des Ortes, und den mit der Stadt als Eigentümerin natürlicherweise begrenzten finanziellen Ressourcen an. Das Nachnutzungskonzept ist in mehreren zeitlich und finanziell abgestuften Schritten konzipiert, und beginnt vor ersten architektonischen Interventionen mit der Möglichkeit der Belebung des Areals durch ein kulturelles Festival, das bereits das Erleben und Bespielen einiger Gebäudeteile möglich macht. Im Herzen des Entwurfskonzeptes steht dann das im denkmalgeschützten Klinkerbau vorgesehene Porzellanmuseum, welches in Symbiose mit einer Herberge sowie im Areal lebenden Künstler*innen und Pädagog*innen ein museumspädagogisches Angebot schafft. Kinder- und Jugendgruppen oder Privatpersonen können in Lernwerkstätten und Außenräumen die Porzellankunst praxisnah erleben, etwa eigene Stücke formen, brennen oder bemalen, während die ansässigen Künstler*innen das Zipoli auch für Kunstformen außerhalb der Keramik nutzen und bespielen können. Die Bewohner*innen des Areals, die im Kopfbau des ehemaligen Weißlagers in WGs oder Familienwohnungen kommunal wohnen, sind dabei auch in die Konzeptualisierung, den Betrieb und die Gestaltung der Angebote eingebunden. Für die Bewohner*innen von Lichte steht das gesamte Areal, insbesondere aber das neu geschaffene Dorfwohnzimmer, die Dorfschänke / Porzellancafé sowie ein Jugendtreff, offen. Auf Kinderbetreuungseinrichtungen oder Einzelhandel wurde aufgrund unserer Standortanalyse verzichtet, da im Umkreis ausreichend Angebote vorhanden sind, und aufgrund rückläufiger Geburtenzahlen der Region kein Anstieg im Bedarf zu erwarten ist.
Architektonische Eingriffe sind zumeist minimalinvasiv gestaltet, um das Zusammenspiel der verschiedenen Bauzeiten und -weisen der Gebäudeteile im Areal hervorzuheben und spürbar zu machen. Wo Abrisse für die Belichtung oder aufgrund großer Schäden des Bestandes nötig sind, bleiben die zurückgebauten Gebäudeteile sichtbar: So sind etwa die freistehenden Stützen im Hof zwischen Weißlager und Herberge, oder die Bodenplatte der abgerissenen Massemühle sowie deren Silhouette an der Wand des Klinkerbaus, bewusste Reminiszenzen an die ehemalige Komposition des Gebäudekomplexes und seiner internen Abläufe. Zwei durch den Rückbau oberer Vollgeschosse neu geschaffene Dachterrassen erweitern nicht nur Gemeinschafts- und Begegnungsflächen von Herberge und Jugendzentrum, sondern erlauben auch das Erleben des Areals von oben und stärken die straßenseitig markante Silhouette des Werkes mit seinen drei Aufzugtürmen und Dachformen. Durch den Rückbau der rückseitigen Straße wird der angrenzende Ascherbach unmittelbarer Bestandteil des Außenbereiches, und durch Verbreiterung und angelegten Sitzstufen ausgehend von den neu angelegten Freianlagen erlebbar.
Beschreibung der Besonderheiten
Da sich der Bauzustand und Instandsetzungsaufwand je nach Gebäudeteil stark unterscheidet, sind die angedachten Nutzungen je nach Anforderungen auf das Areal verteilt: Aufwändig zu sanierende Gebäude oder solche mit großem Raumvolumen werden abgedichtet und gesichert, verbleiben aber ebenso wie alle Dachgeschosse größtenteils unbeheizt. Wohn- oder Herbergsnutzungen im Kopfbau oder der ehemaligen Gießerei werden, wo möglich, durch bauliche Fugen von anderen Gebäudeteilen abgetrennt, und dann isoliert für ihre zukünftigen Nutzungen instandgesetzt. Durch den Verbleib einiger Lager- und Reserveflächen bzw. offener Grundrisse in Ausstellungs- und Museumsbereichen bleibt die Möglichkeit offen, über das gezeigte Entwurfsszenario hinaus Flächen nach Bedarf zu entwickeln oder umzunutzen. In Regelgeschossen entworfene Nutzungen wie die Herberge, das Wohnen oder das Museum können im Szenario ebenfalls je nach finanziellen oder wirtschaftlichen Mitteln geschossweise zeitlich gestaffelt ausgebaut werden.
Durch die Zuweisung von Nutzungen mit weniger hohen Ansprüchen an Instandsetzung gelingt außerdem das Erhalten charakteristischer Gebäude und deren Erscheinungsbild. Insbesondere das Weißlager bleibt mit seiner markanten Fassade aus Plattenbau-Betonelementen aufgrund des Verzichtes auf zusätzliche Dämmebenen von innen und außen in seiner Materialität und Tragstruktur erlebbar. Auch in der Ofenhalle kann das Dach in seiner bestehenden Form instandgesetzt werden und erhalten bleiben. Das Abtrennen kleinerer Einheiten zur Nutzung und Beheizung ist in beiden Gebäuden durch die Ateliereinheiten bzw. die raumhohen Vorhänge möglich und erlaubt die Nutzung in kälteren Monaten durch das Schaffen thermaler Pufferzonen.
Mittels temporärer Architektur werden an bewusst gewählten Stellen Interventionen vorgenommen, die das Weiterbauen in den Vordergrund stellen und damit die Nicht-Abgeschlossenheit der Entwicklung des Areals verdeutlichen. Der Laubengang und Sonnenschutz vor den Ateliers am Weißlager schließt etwa an eine bereits vorhandene, äußere Stützenreihe an, die zu DDR-Zeiten zum Weiterbau der Halle errichtet, aber nie genutzt wurde, und erlaubt nun das Erleben der Fassade und Ausblicke in den neuen Mühlgarten. Die temporären Interventionen gliedern den Bestand und bringen große Gebäudeteile, wie die Fassade des Weißlagers, auf einen menschlicheren Maßstab. Diese Konstruktionen sind nicht nur leicht zu errichten, und somit etwa auch möglicher Inhalt für Workshops, sondern können bei Bedarf mittelfristig umgebaut oder entfernt werden, um Platz für neue Installationen oder Weiterbauten freizugeben. Gleichzeitig machen sie die neuen Nutzungen von außen sichtbar.
Die Außenräume werden durch den Rückbau der Straße direkt an den Bachlauf im Süden des Grundstücks angeschlossen. Nach dem Abriss des Verbindungsbaus zwischen Klinkerbau und Siebdruck sowie den nördlichen drei Achsen des Weißlagers wird die ehemalige Hofdurchfahrt reaktiviert, und der aktuell bestehende Innenhof wird von zwei Seiten aus nach außen geöffnet. Zwischen Weißlager und Herberge entsteht unter den nun freistehenden Stützenreihen ein zweiter Hof, der gemeinsam mit dem bestehenden Hof den „Dorfanger“ als zentralen Platz im Areal bildet. Die sehr dichte Bestandsbebauung wird damit aufgelockert, in ihrer Belichtung stark verbessert, und enthält nun je nach Anforderungen unterschiedlich nutzbare Außenräume, die direkt von den einzelnen Nutzungen aus bespielbar sind. Der Lichtener Festplatz im Südwesten wird durch eine neue Brücke über den Bachlauf ans Areal angeschlossen, und kann im Fall von Veranstaltungen zugeschaltet werden.
Nachhaltigkeit
Baustoffe aus zurückgebauten Gebäudeteilen sollen, wo möglich, für neue Interventionen wiederverwendet werden. So können die DDR-Fertigteil-Platten aus den abgebrochenen Achsen des Weißlagers zusammen mit Stahlträgern als Verbau dienen, um durch Abrisse neu entstandene Geländeversprünge, wie etwa zwischen Klinkerbau und Siebdruck, abzusichern. Weitere dieser Platten werden als Bodenbelag zwischen den Ateliers und der Bodenplatte der ehemaligen Massemühle im Mühlgarten verwendet. Die Bodenplatte der Massemühle bleibt hier nicht nur als Reminiszenz an das Gebäude, sondern auch als befestigte Fläche erhalten, um Künstler*innen und Kinder- / Jugendgruppen Platz für das kreative Arbeiten im Außenraum zu bieten. Abgebrochene Ziegelsteine, etwa der Massemühle oder einiger Verbindungsbauten, können beispielsweise im Garten- oder Landschaftsbau weiterverwendet werden. Weiterhin ist es vorgesehen und denkbar, über die großen Dachflächen vom Weißlager Regenwasser in Zisternen zu sammeln, und etwa für die Bewässerung der Außenanlagen oder dem künstlerischen Arbeiten vorzuhalten. Auf den großen Dachflächen wäre auch das Erzeugen von Solarstrom eine Möglichkeit, um das Areal mit Energie zu versorgen.
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