Architekturobjekt 27 von 36

Architekturobjekte

Heinze ArchitekturAWARD 2025: Teilnehmer


Zeit zu (be-handeln)

48149 Münster, Einsteinstrasse 60-64

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: FH- Münster, MSA | Münster School of Architecture, Pauline Prinz

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: FH- Münster, MSA | Münster School of Architecture, Pauline Prinz

Basisdaten zum Objekt

Lage des Objektes

Einsteinstrasse 60-64, 48149 Münster, Deutschland

Objektkategorie

Objektart

Art der Baumaßnahme

Entwurfskonzept

Fertigstellungstermin

01.2025

Gebäudedaten

Bauweise

Stahlbetonbau

Tragwerkskonstruktion

Stahlbeton

Anzahl der Vollgeschosse

6- bis 10-geschossig

Raummaße und Flächen

Nutzfläche

3.600 m²

Beschreibung

Objektbeschreibung

Nehmen wir unsere gebaute Umwelt, als wuchernde Menge alternder Körper wahr. Sie werden täglich genutzt oder stehen leer. Sie stehen in Gruppen, werden gestützt oder stehen allein. Einige sind durch Nutzung oder klimatische Lage starken äußeren Einflüssen ausgesetzt, andere stehen günstig und sicher. Manche haben starke Beschwerden, die die Funktion behindern. Alle haben verschiedene Bedürfnisse im Hinblick auf Routine und Pflege. Sie sind heterogen zusammengesetzt und haben unterschiedliche Sachen erlebt. Einige wurden zurückgelassen, einige stehen in ständigem Austausch mit anderen. Einige sind erkrankt und vom Sterben bedroht.

Die Medizin nutzt das Verfahren der Anamnese, um sich durch Befragung der Patient*innen und des Umfelds einen generellen Überblick über den Zustand zu verschaffen. Dieses Verfahren der ganzheitlichen Anamnese wird analog auf das vom Abriss bedrohte Gebäudeensemble an der Einsteinstrasse 60-64 angewandt, um ein detailliertes Bild der aktuellen Situation zu erfassen.

Mit der Erfassung dieser Befunde erhalten wir einen umfassenden Datenbestand, der sowohl physische als auch psychische Aspekte enthält, da er sich sowohl auf den Körper selbst als auch auf die Nutzenden bezieht. Betrachten wir diese Befunde im Detail, ergeben sich über- geordnete Kernthemen. In diesem Fall sind es städtebauliche Befunde und Befunde, die sich auf die innere Raumorganisation von Gebäuden beziehen, sowie des Weiteren Befunde, die sich auf die äußerste Haut, die Fassade, beziehen.

Für alle diese Ebenen wird ein Handlungsplan erstellt. Dieser reicht vom anfänglichen Reinigen des Körpers über das Befreien von Belastungen wie Verdichtungen und Schichten, die sich über Jahre angesammelt haben. Alle entnommenen Elemente werden im nächsten Schritt gesichtet. Ihre Existenz ist, ohne es zu hinterfragen, erst einmal erhaltenswert, weil sie schon am Ort vorhanden sind. Alles wird nummeriert, vermessen, das Material wird bestimmt, die Art der Fügung geprüft, ebenso das Potenzial der Wiederverwendbarkeit.
Auf das Sichten folgt die Behandlung. Bei der geplanten Behandlung wird keine Schönheits-OP mit makellosem Ergebnis angestrebt, sondern eine langfristig angelegte Behandlung der Befunde und die daraus folgende Nutzbarmachung der Körper. Dieses Vorgehen stellt sich als Gegenentwurf zu einer restlos kontrollierten Erde dar und führt durch die Behandlung zu einer Offenheit der Aneignung durch die Nutzenden.

In der konkreten Behandlung steht das Vorhandene an erster Stelle, es wird nicht ersetzt, sondern neu arrangiert. Falls zur Revitalisierung des Körpers erforderlich, wird auf externe Hilfsmittel in Form von Prothesen zurückgegriffen. Es entstehen 'kybernetische Organismen', denen ihre Geschichte, ihr Alter und ihre Fehler angesehen werden dürfen, die eine Symbiose aus vorhandenen 'natürlichen' Körpern und neuen aus der Notwendigkeit geborenen Ergänzungen.

Beschreibung der Besonderheiten

Angesichts der drängenden Klimakrise ist ein grundlegender Perspektivwechsel im Umgang mit unserer gebauten Umwelt unerlässlich. Das Projekt schlägt vor, Gebäude nicht mehr als bloße Objekte, sondern als lebendige Organismen zu begreifen – analog zum menschlichen Körper:​ pflegebedürftig, verletzlich, anpassungsfähig. Diese Haltung eröffnet neue Möglichkeiten des Erhalts und der Weiterentwicklung, jenseits von Abriss und Ersatzneubau.

Die Herangehensweise stärkt die Sensibilität für den Wert des Bestehenden – für seine Geschichte, Materialität und das in ihm gespeicherte Wissen. Sie fordert eine Verantwortungsethik im Bausektor, die Ressourcenschonung und Klimaziele ernst nimmt. Der Bestand an der Einsteinstraße 60–64 steht exemplarisch für viele Gebäude, deren Abriss aus ökologischer Sicht nicht mehr vertretbar ist. Statt Zerstörung fordert das Projekt eine Auseinandersetzung mit dem Potenzial des Vorhandenen – und formuliert einen architektonischen, ökologischen und gesellschaftlichen Kurswechsel.

Nachhaltigkeit

Im Sinne einer architektonischen Anamnese versteht sich das Projekt als präzise und respektvolle Auseinandersetzung mit der vorhandenen Substanz. Das Materialkonzept folgt dabei konsequent den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft:​ Vorhandenes wird nicht als Abfall, sondern als Ressource betrachtet. Jedes Bauteil wird in seinem Materialwert, seiner Funktion und Geschichte ernst genommen.

Die Behandlung beginnt mit der sorgfältigen Reinigung (Entnahme), Sichtung (Erfassung) und Bewertung bestehender Elemente. Bauteile, Fassadenteile und Beläge werden nummeriert, vermessen und auf ihr Wiederverwendungspotenzial hin untersucht. Ziel ist nicht der Rückbau im Sinne eines Endes, sondern der Übergang in eine neue Konstellation.

Neue Materialien werden ausschließlich dort eingesetzt, wo das bestehende System ergänzt oder gestützt werden muss. Diese „Prothesen“ – reversible, sortenreine Konstruktionen – orientieren sich an Modularität, Demontierbarkeit und stofflicher Reinheit, um auch ihrerseits in zukünftige Stoffkreisläufe rückgeführt werden zu können.

Schlagworte

Abrissstop, Einsteinstrasse60-64, Bauwende, erhalten, circular construction, Kreislaufwirtschaft

Energetische Kennwerte

Energiestandard

Sonstiges

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