Architekturobjekte

Heinze ArchitekturAWARD 2025: Teilnehmer


Wege, Wasser & Erinnerungen

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: HTWK Leipzig, Architektur, Martin Scheer

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: HTWK Leipzig, Architektur, Martin Scheer

Basisdaten zum Objekt

Lage des Objektes

Deutschland

Objektkategorie

Objektart

Art der Baumaßnahme

Entwurfskonzept

Fertigstellungstermin

02.2025

Gebäudedaten

Bauweise

Mauerwerksbau

Tragwerkskonstruktion

Holz

Anzahl der Vollgeschosse

1-geschossig

Beschreibung

Objektbeschreibung

Ausgangslage
Der Ort, der betrachtet wird, ist das Wasserschloss in Oberaulenbach; ein Gebäudeensemble, gelegen in einem kleinen, malerischen Tal im Spessart. In der Geschichte von Oberaulenbach zeigen die wiederholten, sich abwechselnden Perioden von Verfall und Renovierung, dass das Bewohnen und Nutzen des Anwesens nicht selbstverständlich gewesen ist. Gerade jetzt, in einer Zeit sich stark verändernder Agrarstrukturen und konfrontiert mit den konkreten Auswirkungen des rapide fortschreitenden Klimawandels, erscheint die einzigartige Lage des Schlosses Segen und Fluch zugleich zu sein:​ Einerseits lässt seine Allein-Stellung mitten im Herzen einer bedrohten Naturlandschaft seine Lage immer wertvoller werden; andererseits setzt die isolierte Lage von Oberaulenbach seinen Nutzungsmöglichkeiten von vornherein enge Grenzen, für deren Erweiterung die bestehende Infrastruktur ertüchtigt und mit hohem administrativen und finanziellen Aufwand an öffentliche Netze anzubinden wäre. Dem Schloss fehlt eine Perspektive. Das außergewöhnliche Bauwerk droht trotz und wegen seiner besonderen Lage und seiner vielschichtigen Historie in Vergessenheit zu geraten. Diese Arbeit versteht sich als Beitrag gegen dieses Vergessen, gegen den drohenden Verlust eines Ortes – und sucht nach Lösungen, um dem Schloss neues Leben einzuhauchen.

Aus dieser Intention gingen Analysen und Dokumentationen hervor, auf deren Grundlage ein respektvoller und wirkungsvoller Ansatz gefunden wurde, der einen Beitrag zur Revitalisierung des Wasserschlosses leisten möchte. Die zentrale Idee des Konzepts ist die Schaffung eines Wanderwegs. Der Weg knüpft dabei an ein bereits vorhandenes Angebot der Kulturwanderwege in der Region an. Ziel ist es, ein Bewusstsein für die vielfältige Geschichte des Ortes und der Kulturlandschaft zu schaffen und das Tal mitsamt dem Schloss neu zu denken.

Konzept
Das Konzept für die Neuprogrammierung des Wasserschlosses in Oberaulenbach ist entscheidend geprägt von der Beobachtung des Kontextes, in den der Ort gebettet ist. Ziel ist es, mangelhafte Infrastruktur zu reparieren, historische Spuren ablesbar zu machen, landschaftliche Qualitäten hervorzuheben und einen Anreiz zu schaffen, das Tal wiederzubeleben. Der neu geschaffene Wanderweg beschäftigt sich mit dem Thema des Wassers. Im ganzen Tal verstreut finden sich Spuren des Wassers, die stets im Zusammenhang mit der Geschichte des Schlosses stehen. So wurden 8 Stationen definiert, die in Artefakte und Orte des Wassers unterteilt wurden. Die Artefakte des Wassers beziehen sich auf den menschlichen Umgang mit dem Element:​ die Brücke, die Wasserstelle, das Wasserrad, der Kanal und der Brunnen. Sie sprechen keine einheitliche Sprache, sie sind das Abbild einer rationalen Beziehung zum Wasser. Die Artefakte werden restauriert, wiederaufgebaut und neu errichtet, wobei sich dabei alle Elemente an historischen Vorbildern orientieren. Die Orte des Wassers beschreiben natürliche Wasservorkommen im Naturraum:​ der Bach, die Quelle und der See. Diese sind im Gegensatz zu den Artefakten räumlich ausformulierte Strukturen auf dem Wanderweg. Sie thematisieren jeweils eine Sinneswahrnehmung, die im Zusammenhang mit dem Wasservorkommen steht, an dem sie platziert sind. Sie isolieren, lenken und verstärken die sensorische Erfahrung, die normalerweise in der Natur mit unendlich vielen anderen Eindrücken konkurrieren muss. So sollen diese Orte einen Moment des Innehaltens und der Wertschätzung kreieren. 
Das Wasserschloss und der Hof werden zum Teil des Wanderweges, sogar zum Teil der Landschaft. Sie selbst sind Fragmente der Entwicklung, ein Produkt der zahlreichen Variablen des Ortes. 
Die Gebäude des Hofes werden neu bespielt und so Räumlichkeiten geschaffen, die einen ökologischen Naturtourismus fördern. Das Schloss wird zu einem Ort der Entschleunigung, der Bildung und der Naturerfahrung. Er erfüllt also mehrere Anforderungen und könnte so als Pionierprojekt eine neue Perspektive für den Kulturraum Spessart und dessen Naturräume aufzeigen. 

Beschreibung der Besonderheiten

1. Ort des Wassers:​ Sehen
Der erste Ort des Wassers fügt sich mit seiner länglichen Form harmonisch in den Verlauf des Tals ein. Hier steht die Sinneswahrnehmung des Sehens im Fokus. Die Besucher*in betritt das Bauwerk über eine kurze Seite und durchquert zunächst einen abgeschirmten Eingangsraum, der als Schleuse dient, um äußere Eindrücke auszublenden. Es folgt eine Abfolge von drei identischen Räumen, jeweils nur zum Tal hin geöffnet. Die Ausblicke sind so gestaltet, dass das Landschaftspanorama durch das Seitenverhältnis von 1:​4 wie ein gerahmtes Gemälde wirkt. Der Fokus dieses Ortes richtet sich hier mehr auf die Auswirkungen des Wassers als auf das Wasser selbst. Das Tal wurde von dem Bach über Jahrtausende hinweg geformt und ist somit verantwortlich dafür, dass das Schloss heute an diesem Ort stehen kann. 

2. Ort des Wassers:​ Hören
Der zweite Ort des Wassers liegt nordöstlich des Schlosses in einem Seitental, wo eine Quelle den tiefergelegenen Schlossbrunnen speist. Die Sinneswahrnehmung des Hörens wird durch eine skulpturale Installation betont:​ Ein Klangkörper nach dem Prinzip des japanischen „Suikinkutsu“ erzeugt durch tropfendes Regenwasser musikalische Klänge, die an Glocken oder Saiteninstrumente erinnern. Regenwasser wird über das Dach gesammelt und durch ein Kupferrohr in den Klangkörper geleitet, wo es auf Grundwasser trifft. Diese räumliche und musikalische Installation inszeniert die Quelle, die als Versorgung für den Brunnen ebenfalls eine essenzielle Rolle in der Geschichte des Wasserschlosses spielt. Der Klang wird erzeugt, wenn Regenwasser auf Grundwasser trifft - das natürliche Prinzip, nach dem die Quelle funktioniert. Darüber hinaus hat das Bauwerk auch eine Signalwirkung - der Turm ist durch seine Höhe auch aus der Ferne sichtbar und repräsentiert so die Bedeutung, die der Quelle innewohnt.

3. Ort des Wassers:​ Fühlen
Der dritte Ort des Wassers liegt südöstlich des Hofes am Ufer eines ehemaligen Badesees. Die Sinneswahrnehmung des Fühlens wird durch das „Wassertreten“ (auch "Kneipen" genannt) hervorgehoben – eine kulturell verwurzelte Hydrotherapieform. Die Struktur besteht aus drei nebeneinander liegenden Segmenten:​ ein offener Eingangsbereich, ein geschlossener Innenraum mit Ablagemöglichkeiten für Schuhe und Gepäck, sowie ein Übergangsbereich ins Wasser. Im Wasser kann entlang eines runden Geländers das Wassertreten praktiziert werden, das eine bewusste körperliche Wahrnehmung des Wassers fördert. Die reduzierte, klare Architektur lädt zur Auseinandersetzung mit dem Element Wasser und zur Ruhe in der Natur ein.

Der Hof
Die Gebäude des Hofes werden neu bespielt. Es werden Schlaf-, Aufenthalts- und Gemeinschaftsräume geschaffen, die einen ökologischen Naturtourismus fördern sollen. Darüber hinaus gibt es Räumlichkeiten, die flexibel für Ausstellungen und Seminare genutzt werden können, eine Bibliothek und ein Schlosscafé.
Das räumlich wichtigste Element auf dem Hof ist jedoch der Brunnen. Er nimmt nicht nur den zentralen Platz im Ensemble ein, er kann sogar als Grundstein für die menschliche Ansiedlung an diesem Ort verstanden werden, da ohne das Wasservorkommen der Hof vermutlich an dieser Stelle nie errichtet worden wäre. Diese große Bedeutung, die dem Brunnen innewohnt, ist vor Ort jedoch nicht spürbar.  Wenn man sich zwischen den Gebäuden bewegt, läuft man an ihm vorbei, betrachtet ihn eher beiläufig, was unter anderem daran liegt, dass der Hof unharmonisch strukturiert ist. Der Boden ist größtenteils unversiegelt, ein mit Kopfsteinpflaster versehener Pfad läuft am Brunnen vorbei. Die Art und Weise, wie man sich intuitiv auf dem Hof bewegt, wird den vorhandenen Vorzügen und Qualitäten nicht gerecht. Eine Neustrukturierung durch ein neues Bodenpflaster soll das ändern. Dieser Eingriff ist so subtil wie effektiv. Mit geringsten Mitteln wird Vorhandenes aufgewertet, der Bestand kaum angerührt. 

Nachhaltigkeit

Die planerische Haltung in dieser Arbeit stimmt in großen Teilen mit der Theorie des „kleinstmöglichen Eingriffs“ des Soziologen Lucius Burckhardt überein. Der Soziologe kritisiert die Ästhetik der „sauberen Lösung“ akademischer Planung. Die Vorstellung, dass mit einem einmaligen Eingriff, der aus einer vereinfachten Betrachtung der Gegebenheiten abgeleitet wurde, die vollkommene Lösung erzielt werden könnte, ist zu kurz gedacht. Demnach sollte jedes Problem mit derjenigen Strategie bekämpft werden, welche den dafür kleinstmöglichen Eingriff darstellt und damit am wenigsten unerwartete Folgen haben könne. Im Falle des Schlosses wäre der kleinstmögliche Eingriff, um korrigierend in den Landschaftskontext einzugreifen, derjenige, der die Wahrnehmung in den Köpfen der Menschen verändert und so der Landschaft, die betrachtet wird, eine neue Bedeutung zuweist. Im Zentrum des Konzepts steht somit ein Prinzip der Nachhaltigkeit:​ Durch minimale, wohlüberlegte Eingriffe die Voraussetzungen für eine nachhaltige Problemlösung zu schaffen. 

Darüberhinaus orientiert sich die Bauweise an regionalen Bautraditionen und setzt auf nachhaltige Materialien aus der Umgebung. Für den Sockelbereich kommt roter Mainsandstein zum Einsatz – ein quarzgebundener, frostbeständiger Naturstein, der seit der Römerzeit in der Region für Fundamente und Mauern genutzt wird. Darauf ruht ein tragendes Holzgerüst aus langlebigem Eichenholz aus den nachhaltig bewirtschafteten Wäldern des Spessarts.
 

Auszeichnungen

Nominierung für den BAD-SARP-Award

Schlagworte

Bestand, Schloß, Revitalisierung, Kleinstmöglicher Eingriff, Geschichte, Nachhaltigkeit, Pavillon, Transformation, Wanderweg

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