Architekturobjekte

Heinze ArchitekturAWARD 2025: Teilnehmer


SKLAD 7: Revitalisierung von industriellen Bausubstanzen – Tabakspeicher in Plovdiv

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Universität Stuttgart, Fak. 01 Architektur und Stadtplanung, Leonie Weinschenk, Sonya Georgieva

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Universität Stuttgart, Fak. 01 Architektur und Stadtplanung, Leonie Weinschenk, Sonya Georgieva

Basisdaten zum Objekt

Lage des Objektes

Bulgarien

Objektkategorie

Objektart

Art der Baumaßnahme

Entwurfskonzept

Fertigstellungstermin

04.2025

Gebäudedaten

Bauweise

Stahlmodulbau

Tragwerkskonstruktion

Stahl

Beschreibung

Objektbeschreibung

Die Stadt Plovdiv – zweitgrößte Stadt Bulgariens und eine der ältesten durchgehend bewohnten Städte Europas – war einst Zentrum der bulgarischen Tabakindustrie und ist auch der Ort unserer Masterthesis. Im Fokus steht die Auseinandersetzung mit einem außergewöhnlichen urbanen Ort in Bulgarien:​ der sogenannten Tabakstadt.
Das ehemalige Industrieareal ist ein Ensemble aus markanten Backsteinbauten, in denen bis zur politischen Wende Tabak gelagert und verarbeitet wurde. Heute befindet sich das Viertel in einem Zustand des Verfalls; viele dieser Gebäude stehen leer, sind teilweise baufällig oder durch Brände beschädigt. Unser architektonischer Entwurf versteht sich deshalb als Beitrag zur Wiederentdeckung und Weiterentwicklung dieses städtischen Erbes – mit dem Ziel, eine zukunftsorientierte und zugleich kontextgerechte Umnutzung aufzuzeigen.

Das Projekt konzentriert sich auf zwei ehemalige Tabakspeicher an der Schnittstelle zwischen Stadtzentrum und Hauptbahnhof – den Rohspeicher und die Kudoglu-Lagerhäuser. Die Gebäude wurden 2016 durch Brandstiftung schwer beschädigt, ihre massiven Fassaden sind jedoch erhalten geblieben. Diese fragmentierte Substanz bildet den Ausgangspunkt einer Untersuchung, die nicht auf ein finales Nutzungskonzept abzielt, sondern auf die Potenziale eines offenen architektonischen Systems. Ziel ist es nicht, ein Programm umzusetzen, sondern Bedingungen zu schaffen, unter denen neue Nutzungen entstehen können – nicht festgelegt, sondern entfaltbar. Die Architektur tritt in einen Dialog mit dem Bestand, nicht durch Kontrast oder Überformung, sondern durch Ergänzung und präzise Setzung.

Die sogenannte „Wolke“ – ein neues Volumen, das sich über den Bestand legt – versteht sich als schwebende Struktur, die sich von der historischen Substanz löst, ohne sich von ihr zu entfernen. Sie antwortet nicht mit Monumentalität, sondern mit Leichtigkeit. Ihre Form bleibt mehrdeutig, ihre Räume sind durchlässig und flexibel – gedacht als Möglichkeitsräume, die von Besucher:​innen individuell gelesen, erlebt und temporär genutzt werden können.

Das Projekt begreift den Entwurf als offene Fragestellung:​ Wie kann Architektur auf Veränderung reagieren, ohne sich selbst festzulegen? Wie kann gebauter Raum eine Bühne sein – nicht für eine festgelegte Nutzung, sondern für eine Vielzahl von Szenarien?

Die Architektur dieser Arbeit speichert nicht nur Geschichte, sie öffnet Perspektiven.
 

Beschreibung der Besonderheiten

Entwurf als räumliche Fragestellung, nicht als Lösung

Der Entwurf verzichtet bewusst auf fertige Antworten oder festgelegte Raumprogramme. Stattdessen formuliert er eine offene Fragestellung:​

  • Was kann Architektur leisten, wenn sie nicht durch Nutzung definiert ist?
  • Wie sieht ein Gebäude aus, das Wandel zulässt, statt ihn zu verhindern?

Diese experimentelle Haltung unterscheidet das Projekt klar von funktional-programmatisch geprägten Umnutzungen.

Nachhaltigkeit

Die Auswahl der thermochromischen Fassadenbeschichtung interagiert mit der städtischen Umgebung. Die Fassade spiegelt die Gebäudefunktion wieder– Wechselraum. Eine Fassade, die tagtäglich anders aussieht. Dynamik ohne Bewegung.

Das Wetter in Plovdiv weist große Temperaturschwankungen durch die vier Saisons auf. Mit Hilfe von Thermochromie – also der Fähigkeit bestimmter Stoffe, ihre Farbe bei verschiedenen Temperaturen zu verändern – werden die Paneele durch Sonneneinstrahlung und die damit verbundenen Temperaturänderungen aktiviert. Dabei kommen spezielle Pigmente und Beschichtungen zum Einsatz, die auf diese Weise auf Umwelteinflüsse reagieren.

Die Farbpalette besteht aus Blautönen, die sich von dunklen, kalten Tönen bis hin zu hellen, warmen Farben verändern. So sieht die Fassade jeden Tag im Jahr anders und einzigartig aus. Nicht nur die Sonne beeinflusst die Farbgebung, sondern auch Wind, Regen und Schnee tragen dazu bei, dass sich die Fassade ständig wandelt.
Die Grundform der Fassadenstruktur ist das Dreieck. Dabei werden zwei Arten von Elementen unterschieden:​ opake und transparente dreieckige Paneele. Die opaken Elemente sind einfache Sandwichpaneele, die mit thermochromen Pigmenten versehen sind. Für das Tageslicht und die Belüftung im Inneren sorgen transluzente Fensterelemente mit thermochromer Beschichtung. Diese sind von außen kaum sichtbar, sodass die Fassade wie eine einheitliche Oberfläche wirkt.

Als Material für die Paneele wird recycelter Kunststoff verwendet – konkret wiederverwertete Plastikflaschen. In Bulgarien existiert kein Pfandsystem wie beispielsweise in Deutschland, wodurch große Mengen an Einwegplastik im Umlauf sind. Durch die Verwendung dieses Materials wird ein lokales Abfallproblem thematisiert und in einen gestalterischen und funktionalen Mehrwert überführt.

Das Projekt verfolgt einen nachhaltigen Ansatz auch in seiner konstruktiven Umsetzung. Das Tragwerk der „Wolke“ besteht aus einem modularen Raumfachwerk nach dem Mero-System. Dieses ist nicht nur ressourcenschonend, sondern auch vollständig rückbaubar und erweiterbar – einzelne Elemente können verschraubt, ergänzt oder bei Bedarf wieder demontiert werden. Auch die Verbindungen der Stahlfuge sind geschraubt und nicht geschweißt. Dadurch wird nicht nur eine flexible Weiterentwicklung des Baus ermöglicht, sondern auch der Materialkreislauf aktiv mitgedacht.

Schlagworte

Tabakstadt, Plovdiv, Bulgarien, Umnutzung, Revitalisierung, Architektur im Bestand, Brandstiftung, Denkmalpflege, Kulturdenkmal, Tabakspeicher, Stahlbau, Raumfachwerk, Mero-System, Thermochrome Beschichtung

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