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Architekturobjekte

Heinze ArchitekturAWARD 2025: Teilnehmer


Grüne Nachverdichtung für Hannovers Südstadt

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Lara Boroski , Celina Fritsche

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Lara Boroski , Celina Fritsche

Basisdaten zum Objekt

Lage des Objektes

Deutschland

Objektkategorie

Objektart

Art der Baumaßnahme

Entwurfskonzept

Fertigstellungstermin

08.2024

Gebäudedaten

Bauweise

Holzbau

Tragwerkskonstruktion

Holz

Anzahl der Vollgeschosse

3- bis 5-geschossig

Beschreibung

Objektbeschreibung

Thema
Es ist sinnvoll, bestehende offene städtische Situationen zu analysieren und gezielt zu hinterfragen, um ihre Potenziale durch maßvolle Nachverdichtung neu zu aktivieren. Besonders relevant wird dies, wenn Bestandsgebäude einer neuen Nutzung zugeführt werden. Durch intelligente Verdichtung lässt sich die vorhandene Infrastruktur effizienter nutzen, und bestehende Stadtstrukturen erhalten neue Impulse. Auf diese Weise können mehr Menschen diese Orte direkt erleben und profitieren von kurzen Wegen zur Organisation ihres Alltags. Neue Wohnungsbauten können auf aktuelle Bedürfnisse reagieren und trotz einer hohen Dichte attraktive Lebensräume schaffen.
Dabei führt die räumliche Verhandlung zwischen baulicher Nachverdichtung und der Aufwertung bestehender Grünräume in vielen innerstädtischen Lagen zu Herausforderungen und scheinbaren Blockaden. Idealerweise entwickeln architektonische Konzepte sich selbst zu lebendigen, grünen Organismen, die trotz dichter Bebauung bestehende Freiräume aufwerten und erweitern. Diese grüne bauliche Aufwertung kann vernachlässigten Orten neuen Impuls geben und bestehende städtische Defizite im Angebot an Naherholungsräumen ausgleichen.
Durch gezielte Maßnahmen wie grüne Fassaden, unversiegelte Böden und die Integration von Biodiversitätsflächen kann ein aktiver Beitrag zur Minderung urbaner Überhitzung, zur nachhaltigen Wasserspeicherung sowie zur Förderung der Artenvielfalt geleistet werden.
Diese Doppelstrategie – Nachverdichtung und gleichzeitige ökologische Aufwertung – wird im Rahmen dieses architektonischen und freiraumplanerischen Entwurfsprojekts getestet.

Ort
Der Standort des Entwurfs befindet sich in Hannovers Südstadt zwischen Marienstraße und Arnswaldstraße. Bearbeitet werden die Bestandsgebäude und Außenflächen der ehemaligen Unfallklinik sowie des ehemaligen Schwesternwohnheims. Dieser besondere Ort bietet großes Potenzial für eine städtebauliche Neuinterpretation:​ Durch seine Lage in unmittelbarer Nachbarschaft zur Gartenkirche St. Marien und zum denkmalgeschützten Friedhof ermöglicht er eine städtebauliche Aufwertung in einer hochwertigen innerstädtischen Umgebung. Da Hannover nur wenige Möglichkeiten besitzt, sich an solchen qualitätvollen Lagen neu zu entwickeln, ist es von besonderer Bedeutung, nachhaltige Nachverdichtungsansätze für diesen Standort zu entwickeln.

Programm
Ausgangspunkt für das Programm sind die wirtschaftlichen und funktionalen Vorgaben der Landeshauptstadt Hannover:​
Die ehemalige Unfallklinik soll künftig als dauerhafte Unterkunft für geflüchtete Menschen dienen.
Das ehemalige Schwesternwohnheim wird zu einem Studentenwohnheim umgenutzt.
Der Bereich zwischen den Gebäuden soll sowohl als hochwertiger, grüner Aufenthaltsraum gestaltet als auch maximal für zusätzliche Wohnnutzung nachverdichtet werden.
Dabei sollen neue Wohnformen getestet werden und Innovative Nutzungskonzepte wie Co-Working oder Co-Living sind zu integrieren und auf ihre Realisierbarkeit zu prüfen.

Konzept und Form
Im Entwurfsprozess steht die Entwicklung eines eigenständigen architektonischen Konzeptansatzes im Vordergrund. Dieser bestimmt sowohl die äußere Form als auch die innere Raumordnung des Gebäudes. Der architektonische Ausdruck muss sowohl im Verhältnis zum städtebaulichen Kontext als auch zum funktionalen und räumlichen Programm schlüssig und überzeugend sein.
Die Entwürfe sollen vom städtebaulichen Maßstab bis ins konstruktive Detail entwickelt werden. Wichtige Aspekte sind dabei:​
Kontextbezug:​ Einbindung in die Umgebung
Programmatische Angemessenheit:​ Bedürfnisse der künftigen Nutzer
Komposition:​ räumliche und gestalterische Qualität
Machbarkeit:​ konstruktive und baurechtliche Umsetzbarkeit
In unserem Entwurf „Grüne Lunge Hannovers“ wurde das Thema der Nachhaltigkeit auf drei Ebenen betrachtet:​ ökologisch, ökonomisch und Soziale Nachhaltigkeit.

Ökologische Nachhaltigkeit
Ein zentraler Aspekt des Entwurfs ist der Erhalt des vorhandenen Baumbestands. Die bestehende Vegetation wird nicht als Hindernis, sondern als integraler Bestandteil des Projekts verstanden. Durch die bewusste Einbindung der Bäume in die bauliche Struktur fügt sich der Entwurf behutsam in die bestehende natürliche Umgebung ein. Besonders im Innenhof entsteht durch die „grüne Inseln“ ein naturnah gestalteter Raum, der nicht nur Aufenthaltsqualität für die Bewohner bietet, sondern zugleich ökologische Funktionen als Biotop übernimmt. Die Inseln umfassen Bestands- und Neupflanzungen von Bäumen, immergrünen Stauden und Wildblumen. Die Auswahl der Pflanzenarten berücksichtigt ganzjährig Blühende, um ein kontinuierliches Nahrungsangebot für Insekten zu sichern. Der neu geschaffene Teich am Trafogebäude dient ebenfalls als Biotop. Dieser fördert nicht nur die ökologische Vielfalt durch neue Lebensräume für Amphibien, Libellen und andere wassernahe Arten, sondern trägt auch zur Verbesserung des lokalen Klimas und der Luftfeuchtigkeit bei. Die „Grünen Inseln“, die über das Gelände verteilt sind, werden von Sitzmöglichkeiten aus Holz eingefasst. Diese dienen nicht nur der Erholung, sondern strukturieren den Außenraum in kleinteilige, atmosphärisch dichte Aufenthaltszonen. Die Wegeführung zwischen den Inseln erfolgt über wassergebundenen Wegedecken, welche die Versickerungsfähigkeit der Flächen erhalten und die Bodenversiegelung minimieren. Zur weiteren Förderung der Artenvielfalt wird das Trafogebäude sowie die Bestandsmauer im Westen durch Kletterpflanzen begrünt. Die grüne Hülle wird mit Nistmöglichkeiten für Vögel, Fledermäuse und Insekten angereichert. Zusätzlich wird auf dem Gelände ein Sandarium aufgeschüttet, das als spezifischer Lebensraum für bodennistende Wildbienen und andere Insektenarten dient. Die Dachfläche des Trafogebäudes wird ebenfalls extensiv begrünt, was sowohl mikroklimatische als auch ökologische Vorteile bietet. Ein weiterer ökologischer Schwerpunkt liegt in der Begrünung baulicher Elemente, wie dem Stahlgerüst, dem Trafogebäude, der Bestandsmauer und dem Flachdach. Diese wurden mit Kletterpflanzen oder immergrünen Pflanzen versehen, die zur Verbesserung des Mikroklimas beitragen und eine zusätzliche ökologische Schicht schaffen. Die grüne Hülle wird mit Nistmöglichkeiten für Vögel, Fledermäuse und Insekten angereichert. Die Dachterrasse wird nicht nur begehbar, sondern ebenfalls vollständig begrünt gestaltet. Hier befindet sich ein Gewächshaus mit Hochbeeten zur Eigenversorgung sowie eine Pergola, die als konstruktiver Sonnenschutz fungiert. Die Bepflanzung der Dachterrasse orientiert sich an den Prinzipien der Biodiversität und umfasst sowohl immergrüne Stauden als auch Wildblumen. In der Materialwahl folgt der Entwurf einer konsequent nachhaltigen Linie. Die Tragkonstruktion im Neubau bestehtvollständig aus dem nachwachsenden Material Holz. Hierbei wurde die Konstruktion von „NurHolz“ verwendet. Alle eingesetzten Materialien sind recyclebar, wiederverwendbar und stammen, soweit möglich, aus nachwachsenden Rohstoffen. Dadurch wird der ökologische Fußabdruck des Bauvorhabens erheblich reduziert und ein Beitrag zur Ressourcenschonung geleistet. Insgesamt versteht sich der Entwurf „Grüne Lunge“ als ganzheitlich nachhaltiger Beitrag zu einer ökologisch verantwortungsvollen Architektur, bei der gebaute Umwelt und Natur nicht im Widerspruch zueinander stehen, sondern sich gegenseitig bereichern und ergänzen.

Ökonomische Nachhaltigkeit
Die ökonomische Nachhaltigkeit wird nicht allein im Sinne der unmittelbaren Kostenminimierung verstanden, sondern als umfassender Ansatz zur effizienten Ressourcennutzung, Reduktion des Energiebedarfs sowie zur Entwicklung langfristig wirtschaftlicher und anpassungsfähiger Gebäude- und Nutzungskonzepte.
Ein wesentlicher Beitrag zur ökonomischen Nachhaltigkeit erfolgt durch die Reduktion des Energieverbrauchs im Betrieb. Dies wird zum einen über die konsequente Wahl energieeffizienter Konstruktionen erreicht, zum anderen über passive Maßnahmen wie den sommerlichen Wärmeschutz. Durch die Dachbegrünung reduziert sich der Kühlbedarf der darunterliegenden Räume und verringert so den Energieeinsatz im Sommer. Diesführt langfristig zu geringeren Betriebskosten und erhöht den wirtschaftlichen Wert der Gebäude.
Auch in der strukturellen Planung wurde auf wirtschaftliche Effizienz geachtet. So bleibt die Hauptstruktur der ehemaligen Unfallklinik weitgehend erhalten. Die bestehende vertikale und horizontale Erschließung kann somit weiterhin genutzt werden, wodurch teure Neubauten von Treppenhäusern, Aufzügen und Versorgungsleitungen entfallen. Diese Strategie ermöglicht eine erhebliche Reduktion der Baukosten und verkürzt die Bauzeit deutlich.
Im Anbau an die ehemalige Unfallklinik werden standardisierte, immer wiederkehrende Wohnungstypen eingesetzt, die mit vorgefertigten Nasszellen ausgestattet sind. Diese Modulbauweise reduziert nicht nur die Planungs- und Ausführungszeiten, sondern steigert durch die industrielle Vorfertigung auch die Kostensicherheit und Bauqualität. Die Rationalisierung dieser Prozesse stellt einen wesentlichen Hebel zur Senkung der Erstellungskosten dar.
Darüber hinaus erlaubt das flexible Konzept der Schmetterlingswohnungen ein einfaches Reagieren auf sich wandelnde Bedarfe. Je nach aktueller Nachfrage kann eine Einheit als Zwei-Parteien-Wohnung mit gemeinsamer Nutzung von Küche und Bad fungieren, oder als Einparteienwohnung mit einem separaten Wohnzimmer genutzt werden. Diese Flexibilität in der Nutzung vermeidet kostenintensive Umbaumaßnahmen und sorgt für eine wirtschaftliche Auslastung der Wohneinheiten über den gesamten Lebenszyklus hinweg.
Nicht zuletzt ist auch die übergeordnete Strategie der städtebaulichen Nachverdichtung ein ökonomisch nachhaltiger Ansatz. Durch das Einfügen neuer Wohnnutzungen in ein bestehendes urbanes Gefüge kann die vorhandene Infrastruktur – wie Straßen, Versorgungsnetze, Bildungseinrichtungen oder öffentliche Verkehrsmittel – effizient mitgenutzt werden. Es entstehen keine hohen Folgekosten für die Erschließung neuer Gebiete, was sowohl im öffentlichen Interesse als auch im Sinne einer ressourcenschonenden Stadtentwicklung liegt.

Soziale Nachhaltigkeit
Unter dem Leitgedanken „Einfach gut wohnen“ wird ein Wohnkonzept verfolgt, das auf soziale Integration, Flexibilität und gemeinschaftliches Zusammenleben abzielt. Ziel ist es, allen Menschen – unabhängig von Herkunft, sozialem Status oder körperlichen Voraussetzungen – ein lebenswertes, anpassungsfähiges und bezahlbares Zuhause zu bieten.
Ein wesentliches Element zur Förderung sozialer Nachhaltigkeit ist die bewusste Gestaltung gemeinsamer Außenräume zwischen dem Studierendenwohnheim und der Unterkunft für Geflüchtete. Durch diese räumliche Verbindung wird das Potenzial für Begegnung und Austausch aktiv gestärkt. Es entstehen nicht isolierte Wohnkomplexe, sondern ein gemeinsamer Lebensraum, der soziale Durchmischung begünstigt und sozialer Segregation wirksam entgegenwirkt. Hierdurch wird ein lebendiges, integratives Quartier geschaffen, das die soziale Kohäsion stärkt und Vorurteile sowie Berührungsängste abbauen hilft.
Zentrales Element des Entwurfs ist zudem die Förderung von Inklusion. Die gesamte Anlage wurde barrierefrei geplant, sodass Menschen mit körperlichen Einschränkungen gleichermaßen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Diese Gestaltung entspricht nicht nur den gesetzlichen Anforderungen, sondern ist Ausdruck eines tiefergehenden Verständnisses von sozialer Verantwortung und Chancengleichheit.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit ist die Flexibilität der Wohnformen, die durch das Konzept der sogenannten „Schmetterlingswohnungen“ ermöglicht wird. Bei diesen handelt es sich um eine besondere Wohnform, die auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Bewohnerschaft flexibel reagieren kann. Die Schmetterlingswohnungen bestehen aus einer größeren Einheit mit zwei separaten Schlafräumen, während sich Bad und Küche zentral in der Mitte der Wohnung befinden und gemeinschaftlich genutzt werden. Je nach Bedarf kann diese Wohneinheit als Wohnung für zwei Parteien genutzt werden – etwa für Studierende, Geflüchtete oder andere Kleingruppen –, oder sie lässt sich unkompliziert in eine klassische Einparteienwohnung umwandeln, indem ein Schlafraum zum Wohnzimmer umfunktioniert wird. Dieser Ansatz erlaubt eine äußerst ökonomische Anpassung an sich wandelnde Wohnbedarfe, ohne dass aufwändige Umbauten oder hohe Kosten entstehen. Damit wird nicht nur die ökonomische, sondern auch die soziale Nachhaltigkeit des Wohnprojekts langfristig gesichert.
Darüber hinaus bieten gemeinschaftlich nutzbare Innen- und Außenbereiche zahlreiche Möglichkeiten für soziale Interaktionen, die das Zusammenleben, den kulturellen Austausch und das gegenseitige Verständnisfördern und eine Segregation verhindern.. Diese offenen Räume sind so konzipiert, dass sie sowohl geplante Veranstaltungen als auch spontane Begegnungen ermöglichen und damit ein vielfältiges soziales Netzwerk innerhalb der Wohnanlage unterstützen.
Das Wohnkonzept „Einfach gut wohnen“ verbindet somit Aspekte der sozialen Durchmischung, Inklusion, Flexibilität und Gemeinschaftlichkeit auf innovative Weise. Es reagiert auf die Anforderungen einer zunehmend diversen Gesellschaft und trägt dazu bei, soziale Nachhaltigkeit nicht nur als theoretisches Konzept, sondern als gelebte Realität im Alltag der Bewohner zu etablieren. Die Gestaltung des Projekts „Grüne Lunge“ zeigt, dass nachhaltiges Bauen weit über ökologische Maßnahmen hinausgehen muss und dass soziale Nachhaltigkeit eine ebenso tragende Säule einer zukunftsfähigen Bauweise darstellt.
 

Schlagworte

Nachverdichtung, Nachhaltigkeit, Biodiversität, Ressourcenschonung, Anpassungsfähigkeit, EinfachGutWohnen, Soziale Integration

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